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Aktuelle Rechtsprechung

2006

OLG Brandenburg 21.11.2006, FamRZ 2007, 577: Ablehnung einer gerichtlich genehmigten Umgangsvereinbarung durch den sorgeberechtigten Elternteil - Maßnahmen nach § 1666 BGB
Die Eltern eines 5-jährigen Jungen einigten sich in 2. Instanz vor dem Kammergericht auf die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter und schlossen eine umfassende Umgangsvereinbarung (Wochenendumgangmit Übernachtungen, Feiertags- und Ferienregelung), welche das Gericht genhmigte. Nachdem die Umgangstermine überwiegend nicht zustande kamen, leitete der Vater ein neues Umgangsverfahren ein, um die Einsetzung eines Umgangspflegers zu erreichen, während die Mutter sich gegen Übernachtungen aussprach.
Nach Anhörung des Sachverständigen sprach sich das Gericht grundsätzlich gegen eine Einschränkung des Umgangs gegenüber der genehmigten Vereinbarung aus. Es überprüfte die genehmigte Vereinbarung allerdings nicht anhand des eigentlich einschlägigen § 1696 BGB , sondern nach Maßgabe des § 1684 Abs. 4 BGB, der zwar denselben Prüfungsmaßstab besitzt (...wenn das Kindeswohl es erfordert), allerdings haben die Vorschriften eine verschiedene Ausrichtung (§ 1684 Abs. 4 BGB betrifft den Ausschluss des Umgangs, § 1696 BGB die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen). In der Sache beließ es das OLG bei der - keine 1 1/2 Jahre zuvor getroffenen - Umgangsvereinbarung, meinte jedoch, dass ein Ferienumgang nach der Sachlage nicht (mehr?) angezeigt sei.
Wichtiger als das grundsätzliche Festhalten an der nur kurze Zeit vorher in zweiter Instanz getroffenen Vereinbarung ist aber, dass das OLG auch Maßnahmen zur Durchsetzung der Regelung ergriff. Da die sorgeberechtigte Mutter aktiv den vereinbarten Umgang vereitelte, entzog ihr das Gericht nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung einen Teil des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und übertrug dieses auf das Jugendamt, das eine mit der Umsetzung des Umgangs beauftragte Person bestimmen solle.

OLG Brandenburg 26.10.2006 - 15 UF 64/06: Unterhalt bei Wechselmodell
Die Eltern hatten ein gerichtlich genehmigtes Wechselmodell vereinbart. Danach entfielen 40% der Betreuung auf den Vater und 60% auf die Mutter, von den Übernachtungen jedoch nur 25% auf den Vater und 75 % auf die Mutter. Das Amtsgericht sah beide Eltern als barunterhaltspflichtig an. Unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung hob das OLG das Urteil auf und befand, dass nur der Vater barunterhaltspflichtig sei und entsprechend seines Einkommens Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zahlen müsse. Dass der Vater sich umfangreich an der Betreuung beteiligt, berücksichtigte das Gericht, indem es eine an sich gebotene Höherstufung in der Tabelle nicht vornahm und den Vater von der Zahlung eines an sich geschuldeten Mehrbedarfs ausnahm, weil hierfür die erwerbstätige Mutter aufkommen könne.

OLG München 27.9.2006, FamRZ 2007, 753: Aufkündigung eines Wechselmodells, Grundvoraussetzungen für das Wechselmodell
Die Eltern eines 15-jährigen und eines 6-jährigen Kindes hatten in einem gerichtlichen Verfahren ein Wechselmodell vereinbart, dessen genaue Ausgestaltung allerdings nicht mitgeteilt wird. Eine gerichtliche Genehmigung erfolgte nicht. Knapp ein Jahr später beantragte die Mutter, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen, da das Wechselmodell sich nicht bewährt habe. Das OLG gab dem Antrag nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB statt.
Das Gericht nimmt zunächst auf seine im Beschluss vom 1.10.2001 widergegebene eher skeptische Haltung gegenüber dem Wechselmodell wieder. Tendenziell spreche aus der Vereinbarung eines Wechselmodells, dass die Eltern das Kindeswohl bestimmten, ohne auf die Interessen der Kinder zu achten, denn sie wären ihrerseits wohl nicht bereit, alle 3-5 Tage ihre Koffer zu packen und umzuziehen. Im Übrigen sei ein niedriges Konfliktpotential der Eltern wesentliche Grundvoraussetzung eines funktionierenden Wechselmodells. Dies dürfte wohl eine zu undifferenzierte und einseitige Darstellung der Chancen und Risiken des Wechselmodells sein und die Grundvoraussetzungen werden doch recht reduziert auf die Frage des Konfliktpotentials. Die Entscheidung spiegelt jedoch die Tendenz der Gerichte wider, im Zweifel die Aufhebung des Wechselmodells anzuordnen.
Im Ergebnis dürfte die Entscheidung jedoch richtig sein. Die Eltern zeigten trotz offenbar erheblicher Bemühungen des Gerichtes keinerlei Fähigkeit, sich auch nur über kleinere Aspekte des in seiner Durchführung komplexen und daher regelungsbdürftigen Betreuungsmodells zu einigen, was vor allem ein völlig fehlendes Vertrauen der Eltern als Ursache handelte. Das vor diesem Hintergrund die wechselnde Betreuung gerade aus Sicht der Kinder nicht funktionierte, überrascht daher nicht. Bedenklich stimmt allein, dass das Gericht sich so pauschaler und einseitiger Kriterien bedient hat.

KG 22.9.2006, FamRZ 2007, 754: Aufhebung der gemeinsamen Sorge bei Wechselmodell
Die Eltern des 1999 geborenen Kindes waren nie verheiratet, ob sie je zusammengelebt haben, wird nicht mitgeteilt. Aufgrund gemeinsamer Sorgeerklärungen hatten sie jedoch das gemeinsame Sorgerecht. Seit 2003 praktizierten sie ein Wechselmodell, wobei dessen genaue Aufteilung unter den Eltern streitig war. Zwischen den Eltern waren zahlreiche gerichtliche Verfahren (wohl z.T. parallel) anhängig, mit dem vorliegenden begehrte der Vater die Übertragung der Alleinsorge auf sich. Das Kammergericht gab dem Antrag des Vaters statt.
In seiner Entscheidung geht das Gericht auf die Besondertheit des Wechselmodells nicht ein, sondern argumentiert und prüft allein anhand der allgemeinen Voraussetzungen der Aufhebung der gemeinsamen Sorge. Es wertet allerdings den Umstand, dass es den Eltern nicht möglich war, die von ihnen getroffene Vereinbarung dauerhaft umzusetzen, als deutlichen Hinweis auf erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten, die gegen eine gemeinsame Sorge sprächen. Aus dem Scheitern des Wechselmodells unmittelbar auf die Unfähigkeit zur gemeinsamen Sorge zu schließen, scheint etwas pauschal, auch wenn es im Ergebnis häufig zutreffen dürfte, allerdings deshalb, weil häufig das Wechselmodell in Form einer genau hälftigen "Teilung" des Kindes der letzte "Kompromiss" von Eltern ist, die sich über den Aufenthalt des Kindes nicht einigen können und erhebliche Verlustängste haben und deshalb nach Scheitern des Wechselmodells hochstreitige Sorgeverfahren führen, die vor der Reform 1998 unmittelbar im Anschluss an die Trennung geführt wurden, nun aber z.T. zeitlich verlagert werden, indem zunächst das Wechselmodell versucht wird. Im vorliegenden Fall war wohl das Wechselmodell als solches kein Thema mehr, weil es aus Sicht beider Eltern nicht zu praktizieren war. Den zwischenzeitlich eingerichteten betreuten Umgang hatte die Mutter abgebrochen und sich dadurch wohl endgültig als Sorgeinhaber disqualifiziert.

OLG Brandenburg 21.9.2006 - 15 UF 172/05: Gerichtlich gebilligte Abänderung einer bereits zuvor gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung
Die Eltern einigten sich vor dem OLG auf eine Abänderung der knapp zwei Jahre zuvor vor dem OLG getroffenen Umgangsvereinbarung, welche das OLG nach § 1696 BGB erneut genehmigte. Die "Abschlussklauseln" des Gerichts sollen wiedergegeben werden, da sie in Ergänzung der hier vorgeschlagenen Muster eine gute Grundlage beim Abschluss gerichtlicher Vereinbarungen bieten:

"Den Eltern bleibt es unbenommen, von hier getroffenen Festlegungen abweichende Vereinbarungen zu treffen. Sie sollen dabei insbesondere auch die Belange der Kinder berücksichtigen. Im Zweifel, und wenn es nicht zu einer Verständigung kommt, gelten die vorstehenden Festlegungen."

KG 21.2.2006, FamRZ 2006, 1626 m. Anm. Motzer FamRB 2006, 173: Keine Aufhebung der gemeinsamen Sorge bei Wechselmodell und Einigkeit über die grundsätzlichen Belange des Kindes
Die Mutter beantragte, ihr die elterliche Sorge allein zu übertragen, weil sie es grundsätzlich für besser hielt, dass das Kind einen permanenten Aufenthaltsort hat. Das wohl seit längerem praktizierte Wechselmodell (2/3 Mutter, 1/3 Vater) stellte sie dabei jedoch letztlich nicht in Frage. Es gab zwar mehrfach Auseinandersetzungen der Eltern, letztlich konnte in allen wichtigen Angelegenheiten aber immer Einigkeit erzielt werden (Feriengestaltung, Schulfragen etc.). Auch die Verfahrenspflegerin sprach sich für eine Fortsetzung des Wechselmodells aus, da es für das Kind Normalität geworden sei, weil es seit dem 4. Lebensjahr daran gewöhnt sei. Vor diesem Hintergrund konnte das Gericht nicht feststellen, dass sich an der Situation zugunsten etwas ändern würde, wenn es der Mutter die Alleinsorge überträgt. Es wies daher deren Antrag auf Übertragung der Alleinsorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zurück.
Die Entscheidung verdient Zuspruch. Sie steht gegen den Trend einiger Gerichte, grundsätzlich das Wechselmodell zu beenden, wenn ein Elternteil dies beantragt. Vielmehr ist im Einzelfall ein Blick darauf zu werfen, ob das Wechselmodell tatsächlich nicht funktioniert und ein Elternteil die Alleinsorge in erster Linie aus Bequemlichkeit wünscht. Das Kammergericht wendete letztlich die in England praktizierte "no order rule" an, wonach der Richter nur dann eingreifen soll, wenn sich dadurch ernsthaft Vorteile für das Kind erwarten lassen. Dies war hier gerade nicht zu erwarten - in welchem Umfang sollte der Vater weiter Umgang haben? Hätte die Mutter dessen Umfang nun einseitig zu ändern versucht? Wäre dadurch tatsächlich weniger Streit entstanden?

OLG Koblenz 24.1.2006, FamRZ 2006, 720: Keine Einigungsgebühr im Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung § 1666 BGB
Die Kinder waren wegen Vernachlässigung durch die Mutter vom Jugendamt vorläufig in Obhut genommen worden. Da die Mutter die Rückführung der Kinder begehrte, beantragte das Jugendamt, der Mutter nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung die elterliche Sorge zu entziehen. Im Gerichtstermin wurde eine Einigung zwischen dem Jugendamt und der Mutter erzielt, dass die Kinder in einer Jugendhilfeeinrichtung verbleiben sollen.
Nach Ansicht des OLG steht dem Anwalt der Mutter für die Vermittlung der Vereinbarung keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV-RVG zu. Denn anders als im Falle des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB sei eine derartige Vereinbarung für das Gericht nicht verbindlich.
Dem ist hinsichtlich der Ausführungen zur Bindungswirkung der Vereinbarung zuzustimmen. Elternvereinbarungen sind generell nur bis zur Grenze des § 1666 BGB verbindlich, auch im Falle der Sorgeübertragung sieht § 1671 Abs. 3 BGB hierfür eine Begrenzung der richterlichen Bindung vor; überdies liegt hier auch keine Vereinbarung der Eltern untereinander, sondern eine Vereinbarung des sorgeberechtigten Elternteils mit dem Jugendamt vor. Allerdings scheint es durchaus sinnvoll und mit dem Wortlaut von Nr. 1000 VV-RVG vereinbar, den Rechtsanwalt auch für die Vermittlung von Vereinbarungen wie der vorliegenden zu vergüten. Denn die Herstellung von Einvernehmen ist auch im Kindeswohlgefährungsverfahren eine erhebliche Erleichterung für das Gericht. Eine Ausweitung der Nr. 1000 VV-RVG erscheint insofern zumindest diskussionswürdig.

© Dr. Stephan Hammer, Berlin